Eine Mauer mit Loch und ein ECV ohne Rheingauhalle

Eltviller Carneval Verein feierte mit erlesenen Reden, Musik, Tanz und einem gutgelaunten Publikum

Eltville. (chk) – Stimmungsvoll feierte der Eltviller Carneval Verein (ECV) in der voll besetzten Rheingauhalle seine erste Prunksitzung mit Reden, Sketchen, Musik, Gesang und Tanz. Die zweite Sitzung findet am kommenden Samstag statt.Nach dem Einzug von Elferrat und Garde begrüßte Sitzungspräsident Professor Dr. Leo Gros das Publikum und führte – im Wechsel mit Vizepräsident Matthias Bleul – humorvoll, einfallsreich und wortgewandt durch das Programm.

Ganz groß präsentierten sich die kleinsten ECV-Aktiven auf der Bühne: die 13 Tänzer und Tänzerinnen der Mini-Prinzengarde unter der Leitung von Katja Bleul und Belinda Höber begeisterten gleich zu Beginn die Zuschauer. Ebenfalls unter der Leitung von Katja Bleul und Belinda Höber wirbelten zehn Cowgirls und Cowboys über die Bühne und faszinierten mit Tanz und Akrobatik das Publikum. Die acht Akteure der ECV-Kindergruppe unter der Leitung von Stefanie Liebherr verrieten, was sie von Oma und Opa hielten und trafen damit offensichtlich genau den Geschmack der Zuschauer, die viel lachten und zustimmenden Beifall spendeten. Wahrscheinlich erkannten sich manche Omas und Opas in den heiteren Schilderungen wieder. Die Kinder machten klar: ‘Oma und Opa sind cool.’ Oma und Opa seien nicht so verkrampft wie die Eltern, weil sie keine Zeitschriften über Kindererziehung lesen. Die Kinder waren sich einig: ‘Wenn wir Oma und Opa nicht hätten, wären wir unseren Eltern schutzlos ausgeliefert.’ Die Texte hatte Leo Gros verfaßt. Als Harlekin ging Heinz-Günther Haas mit der Politik ins Gericht. Gesundheitsreform, andere Reformen und die Reformierung der Reformen wurden von ihm kritisch beleuchtet. Haas streifte Themen wie Arbeitsamt, Toll-Collect, Streichungswelle und Abzocke. Dem Publikum schien bei den ernsten Themen das Lachen fast zu vergehen, doch der heftige Beifall signalisierte Zustimmung.

Anna Maria Mucke erschien als Männerfeindin in der Butt, um mit dem ‘Halbmensch Mann’, der ‘größten Fehlkonstruktion’ der Schöpfung, abzurechnen. Das Publikum war zweigeteilt: die Frauen tobten vor Lachen, die Männer vor Wut.

Die Retourkutsche kam schon im nächsten Beitrag, wo man vier Männer vom ‘Rheinadel’ auf einer Bank belauschen konnte. ‘Ich glaube, im Bier sind weibliche Hormone’, berichtete einer von ihnen, ‘denn immer wenn ich viel Bier trinke, kann ich kein Auto mehr fahren, schwätze dummes Zeug und muß mich sogar zum Pinkeln hinsetzen.’ Horst Haas, Andreas Michel, Alfred Giehl und Ernst Charrise tauschten auf der Bank am Rhein ihre Erlebnisse aus und stellten knifflige Fragen wie diese: ‘Kannst du mir drei große Deutsche nennen?’ Antwortet der Kumpel: ‘Beckenbauer, Bierhoff, Ballack.’ ‘Und wie ist es mit Bach, Beethoven und Brahms?’ ‘Ach, Ersatzspieler interessieren mich nicht.’ Auch Intimes wurde ausgetauscht: ‘Ich kauf sowieso kein Viagra. Für woanders brauch ich’s nicht – und für daheim ist es mir zu teuer.’ Michael Reuter plauderte aus der Tankstelle. Ein Tankwart hat auch Privilegien: er kann während der Arbeitszeit den neuesten Playboy lesen. Einen heiteren Einblick in ihr Berufsleben mit Sketchen und Musik gaben Pia Richter, Petra Kirn, Ute Maurer, Birgit Meth und Belinda Höber in ‘Rosis Frisörsalon’.

Tanz, Musik und Show

Zwischen den Redebeiträgen präsentierten sich Tanz- und Musikgruppen auf der Bühne. Das ECV-Ballett unter der Leitung von Daniela Choquet von derTanzschule Haas – die selbst in der Gruppe mittanzt – zeigte als rot-weiß gekleidete Garde einen feschen Gardetanz. In einem weiteren Auftritt stürmten die neun Tänzerinnen als Blondinen in pastellfarbenen Tanzkleidern auf die Bühne und präsentierten eine schwungvolle Tanz-Show zu ‘Modern Grease’, die vom Publikum mit begeistertem Beifall aufgenommen wurde.

Die ‘Sex-Frauen’ eroberten als Hexen die Bühne; den schaurig-schönen Hexentanz hatten sie unter der Leitung von Michael und Matthias Bleul einstudiert. In der ‘Animation’ von Horst Haas gemeinsam mit elf Frauen, Männern und Kindern auf der Bühne wurden die ‘Fastnachtstouristen’ in der Rheingauhalle – wie bei einem richtigen ‘all-inclusive’-Urlaub – angeleitet zum Mitmachen. Zu fetziger Musik beugten die Zuschauer die Knie, schwangen die Hüften, streckten die Arme und hatten ganz offensichtlich Spaß an der Übung. Zu den Höhepunkten des Abends zählte der Auftritt der Kellergeister unter der Leitung von Bernd-Hans Gietz, der die Sänger auch auf dem Flügel begleitete. Zu bekannten Melodien sang der Männerchor originelle Texte, die Helga Simon geschrieben hatte. Besungen wurden Themen wie die Schuldenfalle, der teure Euro, die Sorgen des Bürgermeisters in „unserem Städtchen’ und die Eltviller Stadtmauer, die ganz plötzlich ein Loch hatte. Weitere Glanzpunkte folgten: ‘Uhrmacher’ Leo Gros philosphierte über das Wesen der Uhr, über ‘Tick-Tack’ und ‘Tak-tik’, über Fortschritt und Fortgang, über Mangelzeit und Zeitmangel. Ein ‘Reformtempo’ maß er an einem Tempo-Taschentuch. Das Publikum applaudierte und Matthias Bleul lobte: ‘Dein Vortrag ging nit in die Hos’- Professor Dr. Leo Gros.’ Die ‘Tratschweiber’ Irmgard Scher-mer als Berta und Irmgard Bleul als Auguste trafen sich diesmal auf dem Flohmarkt, wo Berta einen Stand hatte, denn: ‘Mein Alter und ich wollen uns von unnötigem Ballast befreien.’ Nach anfänglichem Gezänk kamen die beiden so richtig ins Tratschen: über den ‘Bojemäster’, der kein Wort mehr reden kann, das ihm nicht im Munde herumgedreht wird, über die Konflikte im Ellfelder Rathaus, den Abzug von Behörden, die zahlreichen leerstehenden Geschäfte und Büros und die vielen neuen Baugebiete. ‘Wenn die Rheingauhalle abgerissen wird, was wird denn dann aus dem ECV? Noch nicht mal ‘ne Sitzung können wir dann abhalten!’, klagte Berta. Auguste wußte Rat: ‘Dann gehen wir halt nach Kidderisch.’ Doch eine solche Blamage wollte Berta nicht hinnehmen. Da würde es sich eher anbieten, das Gebäude der Staatsweingüter für einen Euro zu kaufen, erwogen die Tratschweiber. Die geistreichen Texte hatte Helga Simon geschrieben. Das Loch in der Mauer, der wahrscheinliche Abriß der Rheingauhalle und die ‘Kidderischer’ gehörten zu den Themen, die in vielen Beiträgen an diesem Abend auftauchten. Thomas Flock als Gerichtsvollzieher hatte allerlei zu pfänden. Dafür schlüpfte sein Sketchpartner Matthias Bleul in viele Rollen. Als „Gesundheitsministerin Ulla Schmidt’ zeigte er keine Gnade mit dem Gerichtsvollzieher, der nicht mehr von armen, alten Rentnern die Praxisgebühr pfänden wollte. Flock pfändete allerlei: ‘Hoffmanns Schuhe soll ich holen, ein Schuhmacher will sie besohlen, macht Lücken zu, wo keine sind…’ Es war schon weit nach Mitternacht, als Siegfried Schön, ‘ein Weitgereister mit Lebenserfahrung’ die Lachmuskeln der Zuschauer noch einmal heftig strapazierte, Bei seiner Weltreise kam das Flugzeug schon ziemlich am Anfang in Turbulenzen. Eine Mitreisende schrie: ‘Hilfe, wir stürzen ab!’ Der Ehemann entgegnete kühl: ‘Und du mußtest wieder mal gleich den Rückflug buchen!’ Auf der Safari fragte ein Tourist seinen Kumpel: ‘Was würdest du machen, wenn ein Löwe deine Frau angreifen würde?’ ‘Nichts’, entgegnete der andere, ‘wenn er sie angreift, soll er sehen, wie er damit fertig wird.’ Am Ende der Reise stand für Schön fest: ‘Für mich ist der Schwarzwald der schönste Urlaubsort. Ich fahre da nie hin, aber meine Frau.’ Das letzte Wort hatten die ‘Tagediebe’ Markus Molitor und Raimund Thelen. Als Rheingauer und Rheinländer Penner lieferten sie sich einen hervorragenden Schlagabtausch mit viel Lokalkolorit.

Ein Glanzpunkt zum Schluß war das Männerballett, das mit stürmischem Applaus vom Publikum aufgenommen wurde. Unter der Leitung von Matthias Bleul boten die Männer als ‘Afrikaner’ einen sehr temperamentvollen Tanz. Alle, die an diesem Abend auf der Bühne gestanden hatten, waren durch den herzlichen Beifall und die beschwingte Stimmung des Publikums belohnt worden und hatten von Leo Gros, Matthias Bleul und den Mitgliedern des Elferrats den ECV-Orden entgegennehmen dürfen. Mit einem farbenfrohen und stimmungsvollen Finale, zu dem alle Mitwirkenden auf die Bühne kamen, endete die erste Prunksitzung. Der ECV-Vorsitzende Jochen Hulbert freute sich, als Gäste auf ihn zukamen und sagten ‘Das war wirklich professionell, das war nicht nur organisierter Humor.’

Quelle: Rheingau Echo