Narren in Eltville vor Gericht

Nicht jeder vertrug in der Rosenstadt den närrischen Humor

Eltville. Fünf Mal elf Jahre alt wird der Eltviller Carnevalverein in diesem Jahr. Er ist, wie ein Blick in die Annalen zeigt, nicht der erste in Eltville.

Von Kurier-Mitarbeiterin Helga SimonEltville. Kinder und Narren sagen bekanntlich die Wahrheit und an Karneval oder Fassenacht, wie es im Rheingau heißt, herrscht Narrenfreiheit. Dann ist die Gelegenheit, sich im Rahmen eines närrischen Vortrags ungestraft über alles Mögliche lustig zu machen, politische Missstände anzuprangern, das Tun und Lassen der ‘Hottvolee’ kritisch zu beleuchten und auch lokale Klatschgeschichten ans Tageslicht zu bringen. Der Eltviller Carnevalverein, der in diesem Jahr seinen 55. Geburtstag feiert, ist nicht der erste Karnevalverein in Eltville. Im 19. Jahrhundert gab es mehrere Vereine, die Umzüge veranstalteten und Sitzungen abhielten, bei denen lustige Lieder gesungen und humoristische Vorträge gehalten wurden. Die Karnevalvereine hatten phantasievolle Namen, wie ‘Keuchhusten-Korn’, ‘Sparbüchs’ oder ‘Nachteulen’.

Am 18. Februar 1900 berichtet die Eltviller Zeitung von einer Sitzung im Gasthaus ‘Eintracht’, heute ‘Petersilie’, wo zur allgemeinen Erheiterung ein Lied mit dem Titel: ‘Neues aus dem Indianerviertel’ vorgetragen wurde. Es ging dabei um einen ‘Kerbebroode’, den der hungrige Hund des Weinhändlers Roeder vor der so genannten Indianerkerb gestohlen hatte, und um ‘Dienstbotenwurst’. Das Lied war auch im Liederheft abgedruckt. Infolge eines Streites um den Standort des Amtsgerichtes, das 1889 neu erbaut worden war, hatte das Neubaugebiet jenseits der Eisenbahnlinie den Namen Indianerviertel erhalten. Es gab sogar einen Indianerhäuptling, der in entsprechender Aufmachung erschien, wenn die Neustädter kurz nach Neujahr die ‘Indianerkerb’ im ‘Deutschen Haus’ feierten, die ‘äußerst zahlreich auch von den Altstädtern besucht wurde’.

Weinhändler Röder war Besitzer der 1895 erbauten Villa Westphalia. Er klagte gegen den Verfasser des Liedes, den Gärtner Karl Holland und den Drucker, Alwin Boege, der auch Herausgeber der Eltviller Zeitung war. Da sich die Angeschuldigten nicht auf einen Vergleich einlassen wollten und auch nicht bereit waren, eine Strafe zu zahlen, musste der erste Prozess vertagt werden. Nach dem abermaligen Scheitern der Vergleichsverhandlungen, trat man in die Beweisführung ein, die vier Stunden dauerte. Alle 17 Zeugen wurden vernommen. Die Karnevalisten konnten nachweisen, dass sie das Lied einer Kommission aus vier Vorstandsmitgliedern des Karnevalvereins ‘Keuchhusten’ vorgetragen hatten, die keine Beleidigung darin erblicken konnten. Am Ende kam es dann doch zu einem Vergleich. Roeder musste seine Klage zurückziehen und die Gerichtskosten sowie die Hälfte der Anwaltskosten tragen. 1902 fand eine große Karnevalsveranstaltung in der neuen Turnhalle in der Schwalbacher Straße, dem damals größten Saal im ganzen Rheingau statt, bei der es wieder einmal hoch her ging. ‘Frenetischen Beifall’ erntete der ‘Narrhallese Karl Demmler’, der ein Couplet vortrug. Dieses trug den Titel: ‘Ach es kommt nur darauf an, ob man Spaß vertragen kann’. Die Zeitung berichtet: ‘…nur ein einziger, schien den Spaß nicht vertragen zu können, durch mehrmaliges Pfuirufen gab derselbe seiner Animosität Ausdruck.’ Einige Jahre später verkaufte Weinhändler Röder sein Haus.

Quelle: Wiesbadener Kurier